In Brasilien hängt schon die Grundbildung sehr stark vom
Einkommen der Eltern ab.
Das Schulsystem ist in staatliche und private Schulen
aufgeteilt. Eltern, denen es finanziell möglich ist, schicken ihre Kinder auf
Privatschulen, weil die Bildungssituation um Welten besser ist und
gewissermaßen zur Grundlage für die Aufnahmeprüfung der staatlichen Universität
wird. Diese ist nicht nur umsonst sondern auch die Beste. Staatliche Schulen sind gekennzeichnet von
überfüllten Klassenräumen, ständig ausfallendem Unterricht, unterbezahlten und
überforderten Lehrern/innen.
Die Kinder sind also fernab von einem lernförderlichen
Unterrichtsklima.
Ein weiteres Problem ist, dass die Kinder nicht zum selbst
Nachdenken angeregt werden, sie lernen nicht zu lernen. Textarbeit bedeutet zum
Beispiel ein Text abzuschreiben. Es wird ihnen also nicht beigebracht Gelesenes
zu behalten und wiederzugeben. Dadurch haben sie Schwierigkeiten in allen
Fächern. Denn selbst in der Mathematik müssen ab einer gewissen Stufe
Textaufgaben gelöst werden..
Man spricht dabei auch von einem funktionalen
Analphabetismus. Sprache kann zwar codiert bzw. decodiert werden, jedoch nicht
angewendet werden. Wenn man aber fragt, um was es im Text geht, bleibt es meist
still im Raum ...
Und an dieser Stelle versucht das Projekt „To ligado“
einzugreifen. Zum einen durch ergänzende Aufgaben wie selbst Texte zu schreiben
oder Fragen zum Text beantworten, zum anderen durch kreative Aufgaben wie
Gitarren- Tanz- oder Hockeyunterricht. Den Kindern soll gezeigt werden, dass
sie fähig sind zu lernen. Sie sollen lernen zu lernen. Sie sollen sich
ausprobieren können und ihr Interesse wecken, darin gefördert und wertgeschätzt
werden. Ihr Selbstwertgefühl soll gesteigert werden und sie sollen Spaß an
etwas finden.
Zwei Wochen bin ich nun schon hier und ich kann sagen, dass
ich jeden Tag mit Begeisterung
nach Hause gehe.
Begeistert von der respektvollen Art im Umgang der Kinder
und Jugendlichen. Sie wissen sich zu entschuldigen, sie schätzen sich sehr,
Außenseiter/innen gibt es nicht und ein „du darfst nicht mitspielen“ auch
nicht.
Ich schätze ihre Geduld, wie sie mir ein Spiel auch gerne
fünfmal erklärten wenn ich anfangs noch Verständnisprobleme hatte. Und wenn ich
dann doch Fehler machte, war das auch kein Ding.
Ich liebe ihre Offenheit für alles was angeboten wird. Egal
ob Hockey, Tanz oder Theater, ein „das ist nur für Mädchen“ oder „Darauf hab
ich keine Lust“ gibt es nicht. Sie lassen sich darauf ein.
Und ich freue mich, wenn ich sie in ihrer Pause eifrig
Gitarre üben höre, Bingo auf Englisch spielen sehe oder wenn sie nach der
„Lesestunde“ noch ein Bild zur Geschichte malen wollen...
Ich bin gespannt auf das Theaterprojekt, das schon
weitgehend einstudiert ist, und wofür wir in den kommenden Tagen die Kostüme zu
Ende basteln werden und das Bühnenbild fertig machen wollen. Dann schaffen wir
es hoffentlich schon bald den Film aufzunehmen.
Die Zeit rennt und die Beziehungen werden immer enger. Ich
bin froh, dass wir im Moment so viele Mitarbeitende sind und den Kindern viel
Aufmerksamkeit schenken können und gleichzeitig bin ich traurig über ihre
Verwunderung, dass sich jemand für sie interessiert. Viele scheinen das nicht
zu kennen.
Dort wo sie herkommen zählt Gewalt als Kommunikationsmittel,
es herrscht Krieg zwischen verschiedenen Banden. Auch wenn er im Moment
ziemlich still ist, ist immer die Unsicherheit da, wann er wieder ausbricht.
Schon deshalb ist es gut, dass die Kinder und Jugendlichen
ins Projekt kommen, dass sie den Nachmittag an einem sicheren Ort verbringen.
Sehr schön!
AntwortenLöschenViel Erfolg!
pablo